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Sonntag, 6. November 2016

Ich darf wieder alleine in die Stadt

Kopftuch-Mädchen bei einem Spaziergang.

Ich darf jetzt auch wieder alleine in die Innenstadt fahren, wo viele Leute sind und darf auch wieder alleine zur Arbeit fahren - wenn ich das will. Meine Ehefrau Nicole hat das Verbot, dass ich alleine und ohne Begleitung in die Stadt fahre oder wo viele Leute unterwegs sind, wieder aufgehoben.

Nach meinem letzten Blog hatte ich ein langes Gespräch mit meiner Ehefrau Nicole. Sie hat meinen Blog gelesen und hat eingesehen, daß es falsch war, mir zu verbieten, alleine in die Stadt zu fahren, nur um zu verhindern, daß so ein Angriff noch mal passiert. Passieren kann immer was, auch wenn jemand dabei ist - und andererseits ist es bisher ja auch jahrelang gut gegangen, ohne dass irgendwas passiert ist, wenn ich mal von diversen Anfeindungen, blöden Kommentaren, Unhöflichkeiten und dergleichen absehe, aber das ist ja zum einen nicht die Regel, sprich es passiert ja nicht ständig und sowas kann man ignorieren, sprich ich nehme so etwas schon gar nicht mehr wahr und somit auch nicht mehr ernst. Aber so einen Kopftuch-Runterreißer, kann nun mal nicht ignorieren, da es nun mal ein körperlicher Angriff ist. Aber andere Frauen, die ein Kopftuch tragen, sind auch meist alleine in der Innenstadt unterwegs - und diese sind zudem auch noch selbst Muslima - und ihnen passiert auch so gut wie nie etwas.
Also statt einfach zu sagen "Komm mit, ich hätte Dich gerne dabei und würde gerne was mit Dir unternehmen." hab ich gesagt, "Ach komm doch mit, Du weißt doch das ich nicht alleine fahren darf." Ich hab mich in diese Opferrolle drängen lassen und hab sie gleichzeitig auch ausgenutzt.
Das mich Anna, unsere Nachbarin auf dem Weg zur Arbeit und wieder nach Hause begleitet hat, erleichterte, das ganze noch ein wenig, denn wenn sie nach der Arbeit noch Zeit hatte, konnte ich, nachdem sie mich von der Arbeit abgeholt hat, in ihrer Begleitung auch noch diverse Dinge erledigen und besorgen, für die ich sonst extra in die Stadt hätte fahren müssen.
Das mich das ganze einschränkt war mir natürlich schon bewusst, aber die Vorteile für mich überwogen einfach.
Am meisten wurden mir diese Einschränkungen bewusst, wenn ich Sachen besorgen oder kaufen wollte, wo man normalerweise nur bestimmte Leute dabei haben möchte oder das lieber alleine erledigt.
Ich habe mir so beholfen daß ich solche Sachen eben nur mit meiner Frau zusammen besorgt habe oder mit guten Freundinnen zusammen, insbesondere, die Artikel gegen Blasenschwäche hab ich nur mit Begleiterinnen besorgt, die auch darüber Bescheid wußten, daß ich damit ein Problem habe. Zur Not hab ich solche Sachen auch mal im Internet bestellt oder mir von meiner Frau mitbringen lassen.
So hab ich das quasi umschifft und konnte so auch mit den Einschränkungen ganz gut leben, auch wenn ich manchmal lieber alleine in die Innenstadt gefahren wäre ohne Begleitung, so daß man ganz in Ruhe bummeln und gucken kann ohne noch auf jemand anderen Rücksicht nehmen zu müssen. In der letzten Zeit nervte es schon etwas, daß ich gar nicht mehr alleine unterwegs war, aber das war schon okay so, es ging ja nicht anders. Oder es wäre wohl schon anders gegangen, wenn ich da früher mit meiner Frau drüber gesprochen hätte.

Von daher hat meine Frau mir wieder erlaubt, alleine in die Stadt und zur Arbeit zu fahren, wenn ich das möchte oder es nötig ist. Sie meint ich bin dadurch, daß ich ein Kopftuch trage, schon genug Einschränkungen unterworfen, die mir durch die Regeln und Vorschriften, die damit verbunden sind, auferlegt sind - und nicht zu vergessen, die, die ich deswegen selbst aufgestellt und mir selbst auferlegt habe - da wollte sie mich nicht noch mehr einschränken, zumindest nicht mehr als es unbedingt nötig ist.

Ja, ein Kopftuch zu tragen ist mit vielerlei Einschränkungen im täglichen Leben verbunden, sowohl in der Öffentlichkeit, als auch im privaten Bereich. Sei es durch Regeln und Vorschriften, die damit zusammenhängen oder auch nur wegen der Tatsache, daß man ein Kopftuch trägt, was einen allein schon bei der Wahl der dazu passenden und angemessenen Kleidung, sehr einschränkt.
Aber das sind Einschränkungen, die ich gerne in Kauf nehme, da ich das Kopftuch gerne trage, ich mich nun mal dafür entschieden habe, es zu tragen und ich letzten Endes auch davon überzeugt bin, daß es für mich persönlich Gut und Richtig ist, das Kopftuch zu tragen und ich in vielerlei Hinsicht davon profitiere.

Aber ich denke mal, wenn man sich erstmal an all diese Einschränkungen gewöhnt hat und mit damit einverstanden ist, weil man das Kopftuch ja tragen will, dann ist es auch leicht mit den damit verbundenen Einschränkungen umzugehen und klar zu kommen und ich kann ganz gut damit Leben. Mich zwingt ja niemand dazu, ich trage es ja freiwillig.
Anders sieht es sicher bei Frauen aus, die es sich nicht vorstellen können, sich selbst so einzuschränken bzw. so eingeschränkt zu sein - oder bei Mädchen und Frauen, die gar dazu gezwungen werden ein Kopftuch zu tragen und sich dessen Einschränkungen, Regeln und Vorschriften zu unterwerfen.
Das ist mir schon klar, aber ich spreche da auch nur für mich: Ich trage es freiwillig, aus einer bewussten Entscheidung heraus und weil ich es tragen möchte. Und mir ist und war immer klar, daß ich mich in vielerlei Hinsicht einschränken muß und mich an viele Regeln und Vorschriften halten muß wenn ich es wirklich tragen will. Das war und ist mir also klar, hat mich aber in dem Entschluss und der Entscheidung es tragen zu wollen, eher noch bestärkt.

Aber darauf wollte ich gar nicht heraus. Nicht mehr alleine in die Stadt und zur Arbeit fahren zu dürfen und immer jemand zu meinem Schutz, als Begleitung (oder gar Aufsicht, wie jemand in den Kommentaren schrieb) dabei haben zu müssen, war dann doch schon eine sehr große Einschränkung für mich, auch wenn ich mich da sehr schnell dran gewöhnt hatte und es ja durchaus auch seine Vorteile hatte.
Und das war dann auch ziemlich bequem, ich brauchte nicht mehr alleine in die Stadt fahren, hatte ständig Gesellschaft und unternahm mehr mit meiner Frau, meiner Mutter, meiner Schwester oder meinen Freundinnen. Es war zugegebenermaßen bequemer, das Verbot vorzuschieben, als einfach zu sagen, daß ich sie gerne dabei dabei hätte und was mit Ihnen unternehmen möchte.

Zum Beispiel Dessous und Unterwäsche kaufen gehen, das mache ich lieber alleine oder nur mit ganz bestimmten Freundinnen oder meiner Frau zusammen.
Oder bestimmte Hygieneartikel in der der Drogerie, wie z.B. Artikel die man bei Blasenschwäche benutzt. Das man Slipeinlagen und Binden von TENA und always discreet nicht für die normale Regelblutung benutzt, weiß ja eigentlich jede Frau, so daß dies sicher auch meiner Begleitung nicht entgangen wäre, zumal diese Artikel meist in einem anderen Regal sind.
Natürlich ist nichts dabei, daß ich Slipeinlagen, Binden und manchmal sogar Pants für Blasenschwäche benutze, ich habe diese Probleme nun mal ab und an - aber es ist mir natürlich peinlich. Und diese Sachen muß ich dann natürlich nicht kaufen, wenn jemand dabei ist, insbesondere dann nicht, wenn diejenige nichts von meiner Blasenschwäche weiß.
Aber wie dem auch sei, ich darf ja jetzt auch wieder alleine in die Stadt und zur Arbeit fahren. Meine Frau hat mir allerdings freigestellt, es auch weiter wie bisher zu handhaben und weiterhin mit ihr, meiner Mutter, Schwester oder Freundinnen in die Stadt zu fahren - und das werd ich auch machen. Und zur Arbeit werd ich auch weiter mit unserer Nachbarin Anna fahren, da wir ja eh denselben Weg haben und uns gut verstehen. Aber ist halt gut zu wissen, daß ich all das jetzt auch wieder alleine machen kann und darf, wenn ich das möchte - oder wenn es nötig ist.


Zwei Frauen mit Kopftuch bei einem Stadtbummel.


Fazit:
Alles in allem muß ich sagen, daß es eine interessante und nette Erahrung war, mal eine Zeit lang nicht alleine in die Stadt und da dann auch nur in Begleitung anderer hinfahren zu dürfen, was Einschränkungen und Umstände auf der einen Seite mit sich brachte und eine Bereicherung auf der anderen Seite bedeutete. Ich mag es manchmal von meiner Frau bevormundet zu werden und wenn sie mir Vorschriften macht, Regeln aufstellt oder mir Sachen verbietet, dann finde ich es toll und mag das irgendwie. 
Aber nach nem guten halben Jahr nicht alleine in die Stadt fahren zu dürfen und das immer nur in Begleitung anderer machen zu dürfen, die mich beschützen, auf mich aufpassen und mich "beaufsichtigen" reicht es nun auch - das muß ich wirklich nicht immer haben und ich hab mich doch sehr in meiner Freiheit eingeschränkt gefühlt. Mir sind schon dadurch dass ich ein Kopftuch trage genug Einschränkungen auferlegt, denen ich mich aber gerne unterwerfe, da ich ja das Kopftuch gerne tragen möchte und will. Aber nicht alleine weggehen zu dürfen und immer eine Begleitung dabei haben zu müssen hat schon eine ganz andere Dimension, selbst wenn es nur für bestimmte Orte gilt. 
Wie dem auch sei ich bin froh, das meine Frau das Verbot wieder aufgehoben hat und ich jetzt auch wieder alleine in die Stadt und zur Arbeit fahren darf. 

Bleibt nur zu hoffen, daß so ein Angriff auf mich nie wieder passiert und das nie wieder jemand auf die Idee kommt, mir das Kopftuch herunter zu reißen - oder gar schlimmeres zu machen. Ich habe echt keine Lust, zusammen geschlagen oder gar vergewaltigt zu werden, nur weil ich ein Kopftuch trage und mich deswegen jemand für eine Muslima hält und meint mir aus diesem Grunde was antun zu müssen.