Eigentlich wollte sie mal so berichten, was die erste Woche so alles passiert und wie es ihr mit Kopftuch ergangen ist, aber stattdessen hat sie mehr über ihre Gefühle, Gedanken und Eindrücke beim Tragen des Kopftuches geschrieben - was mir persönlich viel besser gefällt.
Sie hat es gestern schon geschrieben, allerdings bin ich erst heute dazu gekommen, es zu veröffentlichen.
Nicole:
Yeah, ich habe meine erste Urlaubswoche mit Kopftuch hinter mir und ich muss sagen, daß es gar nicht mal so schlimm ist, es ständig tragen zu müssen - man gewöhnt sich doch recht schnell daran, daß man es immer und überall, den ganzen Tag über trägt. Und man findet sich recht schnell damit ab, daß man es tragen muss und gar keine andere Wahl (mehr) hat. Wie Mira schon erwähnte will ich das Kopftuch ja die ganzen 3 Wochen lang (freiwillig) tragen müssen und bin deswegen auch bereit mich zu fügen und das Kopftuch für diese Zeit für mich anzunehmen - und auch absolut dazu bereit bin es ständig zu tragen.
Ich muss aber ehrlich zugeben dass es mir die ersten Tage schon ein wenig schwer gefallen ist ein Kopftuch zu tragen, es war mir irgendwie lästig, es morgens um machen zu müssen und dann den ganzen Tag damit rumzulaufen - was aber wohl eher daran lag, daß es für mich auch ziemlich ungewohnt war es zu tragen. Das ist es zwar auch wenn ich es hin und wieder mal einfach so trage, wenn ich was mit Mira unternehme und einfach gern mit ihr zusammen ein Kopftuch tragen möchte.
Ich trage es dann ja auch einen Nachmittag und/oder einen Abend lang, manchmal auch eineen ganzen Tag oder das ganze Wochenende über - das macht mir dann gar nichts aus, aber ich trage es dann auch einfach nur 'just for fun’ weil es mir Spaß macht und weil ich es gerne tragen möchte und nicht, weil ich es unbedingt tragen muss.
Und ich habe dabei auch nicht ständig im Hinterkopf, daß ich es jetzt die nächsten 3 Wochen (ohne jede Ausnahme) tragen muss. Aber wenn man sich erstmal daran gewöhnt hat, daß man ein Kopftuch trägt und sich damit abgefunden hat, daß man es jetzt die nächsten Wochen erstmal tragen muss, dann ist es gar nicht mehr so lästig. Ich habe ja im Moment eh keine andere Wahl und muss es tragen - auch wenn ich das freiwillig mache - da wäre es kontraproduktiv, das Kopftuch als lästig zu empfinden, man muss also zwangsläufig ein positives Gefühl dazu entwickeln.
Und mittlerweile finde ich es wirklich sehr schön und angenehm ein Kopftuch zu tragen - es ist wirklich ein tolles Tragegefühl. Und wenn mich die Leute - insbesondere Männer - ansehen, dann ist mittlerweile auch vollkommen bewußt, daß sie nicht alles von mir sehen können, sondern nur das, was ich sie sehen lasse. Ich bin zwar immer noch als Frau und Persönlichkeit erkennbar, aber meine Kleidung und das Kopftuch lassen es nicht zu, daß man mich beim betrachten auf mein Aussehen und meinen Körper reduziert. Meine Schönheit und die weiblichen Reize meines weiblichen Körpers sind gut bedeckt und versteckt und ziehen keine Aufmerksamkeit mehr auf sich - nach außen hin bin ich in der Öffentlichkeit komplett 'entsexualisiert’ - und was ich von meinem Aussehen und meiner Weiblichkeit zeige ist auf das nötigste beschränkt.
Ich fühle mich durchaus ein wenig wie unter einer Tarnkappe, da ich kaum wahrgenommen werde und auch so gut wie keine anzüglichen Blicke von Männern bekomme, wie sonst so oft. Ich merke ganz deutlich “Mein Aussehen und mein Körper gehören jetzt ganz mir allein und ich bestimme ganz allein, wer was und wieviel von mir sehen kann und darf.” Ich fühle, das meine Privatsphäre, in der Öffentlichkeit, auf ein maximum erweitert ist und das durch Kleidung und Kopftuch auch mein Aussehen und mein Körper in der Öffentlichkeit Teil meiner Privatsphäre sind und meine persönliche Intimsphäre ist in der Öffentlichkeit auf meinen ganzen Körper ausgedehnt ist.
Das ist zur Abwechslung mal ein richtig tolles und geniales Gefühl, daß ich mal nicht mit meinem Aussehen und meinem Körper die Blicke auf mich ziehe (was für uns Frauen ja eigentlich ganz normal ist), sondern was das angeht in Ruhe gelassen werde. Das kann durchaus auch mal sehr angenehm und entspannend sein.
Das dafür jetzt mein Kopftuch die Aufmerksamkeit und den Missmut gewisser Leute auf sich zieht, ist eine andere Geschichte, die mir nicht so unbedingt gefällt. Das Kopftuch ist ja an sich für einige schon ein rotes Tuch, aber trotz Kopftuch sieht man meinem Gesicht sehr deutlich an, daß ich eine Deutsche bin, sodass mich diese Leute zwangsläufig für eine Konvertitin halten müssen - etwas was für sie wohl fast schon an Hochverat grenzt. Das ich eine katholische Christin bin, die sich inoffiziell der evangelischen Kirche angeschlossen hat, sieht man mir ja leider nicht an - und es fragt auch keiner, man wird wegen des Kopftuches einfach in irgendeine Schublade gesteckt, was ich irgendwie schade finde. Aber solche Begegnungen sind zum Glück eher selten und auch meist ohne irgendwelche Anfeindungen - aber die Blicke reichen schon.
Ein andere Sache, die ich etwas kritisch sehe und die mir ein wenig Probleme bereitet und mich in einen Zwiespalt drängt, ist diese:
In meinen Augen ist es ein Zeichen von Disziplin und Stärke, wenn eine Frau sich freiwillig dafür entscheidet ständig ein Kopftuch zu tragen und das auch konsequent durchzieht.
Für die meisten Menschen ist es aber ein Zeichen von “Schwäche” ein Kopftuch zu tragen. Außerdem symbolisiert es Unterordnung, Unterwerfung und Demut und es steht für eine devote Haltung und Lebensweise der Trägerin.
Ich habe nichts gegen solche Eigenschaften, bei meiner Frau Mira mag ich sie sogar sehr, aber das bin ich selbst nicht.
Ich bin nicht schwach, unterwürfig, demütig und devot und ich ordne mich auch nicht gern unter.
Ich bin eigentlich eher eine starke und selbstbewusste Frau, die eher dominant ist und gern bestimmt. Aber jetzt wo ich ein Kopftuch tragen muss und gar keine andere Wahl habe als es zu tragen, fühle ich mich damit in der Tat schwach, machtlos und demütig, weil ich es jetzt tragen muss - ich muss mich unterordnen und mich den gängigen Bekleidungsvorschriften und Benimmregeln, die jetzt für mich als Kopftuchträgerin gelten unterwerfen und sie befolgen.
Es zwingt mir also Charakter-Eigenschaften auf die ich eigentlich gar nicht habe und drängt mir eine ganz neue Rolle auf, nämlich die, der schwachen, schüchternen, unterwürfigen und demütigen Frau, die einen devoten Lebensstil hat, was durch das Kopftuch ausgelöst, verstärkt und nach außen hin symbolisiert wird.
Es macht mir nichts aus mich so zu fühlen, oder das andere mich so sehen, es ist nur ungewohnt für mich - und am Anfang hab ich mich ein wenig dafür geschämt, daß ich mir freiwillig diese eher unfeministischen und unemanzipierten Eigenschaften aufzwingen lasse. Dabei sind das doch Eigenschaften, die man naturgemäß uns Frauen zuschreibt oder zumindest von uns erwartet.
Und manchmal hat es ja auch was gutes, wenn man diese Rolle für sich annimmt und so seine wahren Charaktereigenschaften und Persönlichkeit vor anderen verbirgt. Und ich muss den Leuten noch nicht mal was vormachen, denn durch das Kopftuch sehen sie mich so und ich fühle mich, dadurch das ich das Kopftuch trage, auch selbst irgendwie so.
Es ist schon sehr interessant, was das Kopftuch mit mir macht, wenn ich es den ganzen Tag trage und da ich es tragen muss, weil ich es versprochen habe und mich deswegen dazu verpflichtet fühle es zu tragen, habe ich auch gar keine andere Wahl als es zu tragen und kann mich der Wirkung, die das Kopftuch auf mich auch nicht entziehen. Man beschäftigt sich automatisch mit dem Kopftuch, wenn man es selbst trägt und wenn man es tragen muss, dann sucht man automatisch nach den positiven Seiten des Kopftuches, was es einem “leichter” macht es zu tragen bzw. es tragen zu müssen.
Wenn man sich damit beschäftigt, dann hilft einem das doch sehr dabei sich damit abzufinden ein Kopftuch tragen zu müssen. Hat man sich dann erstmal damit abgefunden es tragen zu müssen und sich daran gewöhnt, daß man es trägt, dann denkt man eigentlich kaum noch daran, daß man es trägt, es ist mir fast schon egal, daß ich es trage (bzw. es tragen muss) und es ist fast schon etwas völlig normales für mich.
Ich habe mich mittlerweile damit abgefunden momentan ein Kopftuch tragen zu müssen und habe mich schon so daran gewöhnt, daß ich es trage, daß ich gar nicht mehr daran denke, daß ich ein Kopftuch trage, wenn ich mit Mira unterwegs bin. Ich vergesse total, daß ich ein Kopftuch trage und denke gar nicht mehr daran, daß mich die Leute ja mit Kopftuch sehen. Deswegen wunder ich mich manchmal, wenn ich blöd oder überrascht angesehen werde - bis mir dann einfällt, daß ich ja ein Kopftuch trage und das es wohl daran liegen muss.
Dabei hab ich mich in den ersten Tagen mit Kopftuch noch dafür geschämt, daß ich ein Kopftuch trage und es war mir irgendwie peinlich, daß ich es tragen muss. Wenn ich es nur just for fun zu meinem und Amirahs Vergnügen getragen habe, war das nie so - da hab ich mir aber um das Kopftuch oder was andere deswegen von mir denken, auch keine großen Gedanken gemacht. Aber nun, wo ich es 3 Wochen lang tragen muss und keine andere Wahl habe, mache ich mir schon mehr Gedanken darüber. So habe ich in den ersten Tagen gedacht, daß mir jeder zweite oder dritte doch förmlich ansehen muss, daß ich das Kopftuch im Moment tragen muss und sie sich ihren Teil dazu denken. Das ist zwar Blödsinn, aber mir diese Vorstellung trotzdem unangenehm und peinlich und ich hab mich irgendwie dafür geschämt ein Kopftuch zu tragen, nicht zuletzt auch, weil es zur Zeit so einen schlechten Ruf hat und weil man mir halt ganz genau ansieht, daß ich Deutsche bin. Dabei wollte ich mich eigentlich gar nicht dafür schämen oder daß es mir peinlich ist ein Kopftuch zu tragen, im Gegenteil: ich bin sogar Stolz darauf, daß ich es trage und daß ich mich überhaupt traue das durchzuziehen, insbesondere, weil dabei für mich auch ein großes MUSS ohne Wahlmöglichkeit im Raum steht.
Naja, aber jetzt wo ich mich damit abgefunden habe, daß ich momentan ein Kopftuch tragen muss und mich daran gewöhnt habe, daß ich gerade ein Kopftuch trage, schäme ich mich auch nicht mehr dafür und es ist mir auch nicht mehr peinlich ein Kopftuch zu tragen.
Ich finde es schon erstaunlich, daß dieser Abfindungs- und Gewöhnungsprozess nur eine Woche gedauert hat - auch wenn er noch nicht ganz abgeschlossen ist, aber ich hätte echt nicht erwartet, daß das so schnell geht.
Es ist schon irgendwie ein sehr überwältigendes Gefühl (freiwillig) ein Kopftuch zu tragen, weil man es tragen will und möchte - es gleichzeitig aber auch tragen muss, weil man sich dazu verpflichtet hat und sich so dazu verpflichtet fühlt es zu tragen und keine andere Wahl mehr hat, als es zu tragen und gar nicht mehr anders kann (und darf). Das ist schon irgendwie ein faszinierend Zwiespalt das Kopftuch auf der einen Seite freiwillig zu trage, weil man es tragen möchte, es auf der anderen Seite aber auch tragen zu müssen, weil man dazu verpflichtet ist und sich dazu verpflichtet fühlt.
Au#erdem ist es sehr faszinierend, was das Kopftuch mit mir macht, wenn ich es trage. Als ob es mich zu einem ganz anderen Menschen macht und mir die Eigenschaften, die man von einer Kopftuchträgerin erwartet, förmlich aufzwingt, bzw. kommt es mit dem anlegen des Kopftuches ganz automatisch, daß ich mich schüchtern, klein, unterwürfig, demütig - ja geradezu schon ein wenig devot fühle - Eigenschaften die normalerweise nicht auf mich zutreffen, die ich ich aber automatisch für mich zusammen mit dem Kopftuch anlege. Außerdem finde ich es schön, daß ich durch das Kopftuch und die lange, bedeckende, bescheidene Muslima-Mode in der Öffentlichkeit stets anständig, züchtig und sittsam gekleidet bin, weil mein Aussehen, meine Schönheit und mein Körper mit seinen weiblichen Reize stets sorgsam bedeckt sind. Das erweitert, selbst in der Öffentlichkeit meine Privatsphäre auf meinen ganzen Körper und mein Aussehen - mein Körper und mein Aussehen gehören mir ganz allein und ich kann selbst bestimmen, wer meinen Körper oder Teile davon zu sehen bekommt und wer mich ohne Kopftuch sehen darf. Etwas wohltuendes, in einer Zeit, wo jede Frau versuch, sich selbst, ihr Aussehen und ihren Körper bestmöglich zur Schau zu stellen.
Naja, mal schauen, was die nächsten beiden Wochen mit Kopftuch, als Kopftuchträgerin und Kopftuchmädchen noch für mich bereithalten. Die Weihnachtsfeiertage und Silvester werden sicher nochmal etwas besonderes für mich sein. Heiligabend wollen wir allein verbringen, das wird sicher toll, wenn wir beide schöne Kleider und Kopftuch tragen, allerdings wollen wir abends in die Kirche zum Gottesdienst, das wird für mich sicher komisch sein mit Kopftuch - Mira war ja schon öfter mit Kopftuch in der Kirche.
Am ersten Weihnachtstag sind wir bei Mira’s Mutter zum Essen eingeladen - ihre Schwester wird auch da sein. Die Beiden haben mich schon öfter mit Kopftuch gesehen, von daher wird das nichts besonderes sein.
Am 2. Weihnachtstag sind wir bei meinen Eltern zum Essen eingeladen und mein Bruder (vermutlich mit Freundin) wird auch da sein. Sie kennen Amirah nur mit Kopftuch und sind gewohnt sie mit Kopftuch zu sehen und sie wissen auch daß ich das Kopftuch in diesem Weihnachtsurlaub konsequenterweise ständig, imm und überall trage und daß ich deswegen auch mit Kopftuch zum Essen komme. Sie haben kein Problem damit, sie kennen das ja schon vom letzten Jahr und sind schon ganz gespannt, mich wieder mit Kopftuch zu erleben - aber mich wird es trotzdem irgendwie komisch sein. Mal schauen wie es wird.
Und dann ist da ja noch die Silvesterparty mit unseren Freundinnen. Sie wissen zwar schon Bescheid, daß ich Kopftuch tragen werde, die meisten haben mich aber noch nie mit Kopftuch gesehen. Mal sehen wie das so wird. Außerdem werde ich mich auf der Party mit Alkohol zurückhalten müssen, denn es ist schon etwas unpassend als Kopftuchträgerin Alkohol zu trinken und außerdem wäre es auch unpassend als Kopftuchmädchen angetrunken oder gar betrunken zu sein. So wird sich das also auf ein paar Gläschen beschränken und ansonsten werde ich mich an Anti-alkoholische Getränke halten. Mal sehen, wie das so wird.